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Elektromagnetische Strahlung im E-Auto - Eine unsichtbare Gefahr?

Motoren, Kabel, Akku: Das E-Auto steckt voller elektrischer Komponenten, die Magnetfelder produzieren. Wie gefährlich ist die Strahlung für die Passagiere?

Die Ingenieure müssen alle Kabel und E-Bauteile sorgfältig isolieren und gegeneinander abschirmen. Foto: Mercedes

Die Ingenieure müssen alle Kabel und E-Bauteile sorgfältig isolieren und gegeneinander abschirmen. Foto: Mercedes

Mercedes untersucht die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) der E-Antriebe in einem eigenen Prüfgebäude in Sindelfingen. Foto: Mercedes

Mercedes untersucht die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) der E-Antriebe in einem eigenen Prüfgebäude in Sindelfingen. Foto: Mercedes

Um die Strahlenbelastung zu verringern, verlegt Mercedes Kabel und E-Bauteile deshalb so weit wie möglich im Unterboden oder Motorraum, also von der Kabine durch eine Metallschicht getrennt. Foto: Mercedes

Um die Strahlenbelastung zu verringern, verlegt Mercedes Kabel und E-Bauteile deshalb so weit wie möglich im Unterboden oder Motorraum, also von der Kabine durch eine Metallschicht getrennt. Foto: Mercedes

Mercedes testet unter anderem Antennensysteme. Foto: Mercedes

Mercedes testet unter anderem Antennensysteme. Foto: Mercedes

Der eine schläft nicht mit dem Handy neben dem Bett, andere fühlen sich in der Nähe von Hochspannungsleitungen unwohl und wieder anderen kommen weder Induktionsherd noch Mikrowelle ins Haus. Strahlung, gleichwelcher Art, kann Menschen Angst bereiten. Was die Wenigsten wissen: Im E-Auto umgeben wir uns ständig mit magnetischen Feldern. Produziert von vielen Stellmotoren, beispielsweise für die Sitzverstellung oder die Fensterheber. Vor allem aber vom Hochvolt-Antriebsstrang mit seiner riesigen Batterie und dem starken Elektromotor.

Doch wie gefährlich sind diese Felder? Warnt nicht das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) auf seiner Webseite, dass starke statische Magnetfelder Schwindelgefühle, Übelkeit und metallischen Geschmack hervorrufen können?

Dass in einem Mercedes keine gesundheitsschädliche Strahlung entsteht, ist Aufgabe von Dr. Martin Reuter. Der promovierte Elektrotechniker ist verantwortlich für die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) der E-Antriebe.
„Wir nehmen das Thema sehr ernst und betrachten es von der Entwicklung eines Fahrzeugs bis zur Freigabe“, sagt Reuter. Als Basis dienen die Empfehlungen des BfS, das sich wiederum auf die WHO bezieht. Die Weltgesundheitsorganisation wertet alle medizinischen Forschungen aus und veröffentlicht über die Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) Grenzwerte als Empfehlungen, für die Strahlenbelastungen durch Mobiltelefone oder Mobilfunkmasten, aber auch im Elektroauto.

Allerdings ist die WHO keine Regierungsorganisation. Deshalb haben diese Werte keine gesetzgebende Funktion. Hersteller können, müssen sie aber nicht übernehmen. Für Reuter ist das keine Frage: „Mercedes nimmt das Thema ernst und hält sich natürlich an diese Grenzwerte.“

Sein Team untersucht die EMV in einem eigenen Prüfgebäude in Sindelfingen. 50 Millionen Euro investierte der Hersteller hier, um Antennensysteme sowie die bis zu 250 in einem Auto verwendeten elektronischen Komponenten zu testen. In der S-Klasse beispielsweise sind über fünf Kilometer Kabel verlegt. „Wir sorgen dafür, dass das Radio nicht brummt, wenn der E-Motor läuft oder der Scheibenwischer eingeschaltet wird.“ Deshalb müssen die Ingenieure alle Kabel und E-Bauteile sorgfältig isolieren und gegeneinander abschirmen.

„Prinzipiell unterscheiden sich E-Auto und Verbrenner aber sehr wenig. Beide haben die gleichen kritischen Quellen für magnetische Felder wie Sitzheizung, Klimaanlage, Assistenzsysteme oder Lautsprecher.“ Im E-Auto kommen zwar noch E-Aggregate wie Batterie, Motor oder Bordlader hinzu. Doch Untersuchungen des BfS zeigen, dass die Magnetfelder weniger von der elektrischen Leistung der Elektromotoren abhängen als von der Position der Batterie, von den Kabeln und der Leistungselektronik. Um die Strahlenbelastung zu verringern, verlegt Mercedes Kabel und E-Bauteile deshalb so weit wie möglich im Unterboden oder Motorraum, also von der Kabine durch eine Metallschicht getrennt.

Außerdem sinkt die Feldenergie mit wachsendem Abstand überproportional. Im freien Raum ist das Magnetfeld bei doppeltem Abstand nur noch ein Viertel so stark. Eine Isolation oder Abschirmung kann es sogar auf ein Zehntel senken. „Schon ein paar Millimeter mehr Abstand von Kabeln oder Leitungen bewirken hier sehr viel“, sagt Elektrotechniker Reuter.

Das bestätigt eine Studie des BfS. Sie zeigt, dass sich die Magnetfelder im Pkw sehr unterschiedlich verteilen. Die höchsten Werte treten meist im vorderen Fußraum auf, während sie im Kopf- und Rumpfbereich der Passagiere deutlich niedriger sind. Manche Messergebnisse ergaben im Fond die höchsten Werte, speziell, wenn Batterie und Verkabelung des E-Autos unmittelbar unter oder hinter der Rückbank sitzen. Doch selbst im ungünstigsten Fall wurden in keinem der untersuchten Fahrzeuge Grenzwerte überschritten. Selbst die maximalen Immissionen lagen rund 30 Prozent unter dem ICNIRP-Referenzwert.

Für die Studie wurden auch zwei Verbrenner untersucht. Im Audi A4 und VW Passat ermittelten die Ingenieure im Fußraum vorne eine ähnlich starke Strahlung wie im E-Auto. Die Ursachen lag im Motor eines Lüftungsgebläses und dessen Verkabelung. Bei höchster Leistungsstufe lagen die Messwerte in einem Fall sogar über den empfohlenen Referenzwerten. Aber auch hier lieferten die Magnetfeldmessungen keinerlei Hinweise auf ein Gefährdungspotenzial. Auch nicht für Träger von Herzschrittmachern.

Trotzdem klagen immer mal wieder Besitzer von Elektroautos darüber, dass sie sich in ihren Fahrzeugen unwohl fühlen. Dass es in den Armen oder Beinen kribbelt, dass sie schnell Kopfschmerzen bekommen. Obwohl es keine direkte physikalische Ursache gibt, wiegelt Physiker Reuter solche Beobachtungen nicht einfach ab. Wissenschaftliche Untersuchungen würden solche Phänomene bestätigen. Alleine die Angst vor einer schleichenden Vergiftung, beispielsweise durch Abgase einer Fabrik, oder der Nähe eines Atomkraftwerks, könne Menschen Bauchschmerzen bereiten oder sie sich unwohl fühlen lassen.